Die Pagode - das Pflegekind

280SL - Baujahr 1968 - Spitze 200km/h

   der Minimotor   Der Kadett
   
von hinten                                                     von der Seite

Die rote Pagode ist meine neueste Errungenschaft. Ein Pflegekind. Mein Freund Wolfgang ist bis zum nächsten Sommer auf Segeltour und wollte seine Pagode während dieser Zeit nicht einfach alleine zu Hause lassen und hat mich gebeten, mich um das Auto zu kümmern. Der Wagen ist in den letzten Jahren sehr wenig gefahren worden, er war seit 15 Monaten tüvabgelaufen und hatte festsitzende Bremssättel. Christian, der dritte im Bund unserer Werkstattgemeinschaft hatte mir den Wagen im September 2007 hingestellt. Da stand er: Ein billiges Auto (ohne Dach), Leistung satt, kein Tüv, keine Bremsen - aber sonst: alles super. Springt sofort an und macht einen irren Sound.

                                        Der Kadett
                                         echt schicker Hintern

Und dann die Einspritzanlage: Wir Dieselfahrer sind formschön gebogene Einspritzleitungen und schiffsdieselübliche Aufbauten ja gewohnt, aber in einem 6-Zylinder Benziner? Sie bietet eine teil-quantitative Gemischregelung, wie sie gerade wieder für Benziner diskutiert wird um irgendwelche Schichtladungen zu bilden und möglichst sauberes Abgas zu erzeugen. Hier nicht! Abgas erzeugt der Kleine, jawoll, die Karre stinkt wie der gute alte Königspanzer, der wenn er mit einem Zweiliter VW Motor (als Anlasser!!!) gestartet wurde, gut 120 Liter verbrauchte und den imaginären Feind (im Osten) erst mal in eine Nebelwolke hüllte.

Schubabschaltung? Wozu! Das Benzin, das im Schub in die Brennräume gefördert wird, wird einfach im Auspuff abgefackelt und erzeugt dieses wunderbar knallende Geräusch wenn man bei 80 in der verkehrberuhigten Zone oder vor dem Altenheim das Gas wegnimmt.

         Der Kadett     Der Kadett
          Strichachter und Pagode

Ich habe auch keine Ahnung was der Kleine verbraucht, Wolfgang fuhr den Wagen mit 12 Litern, ich tanke einfach immer für 40 Euro. Der Windwiderstand bei 180 (Dach offen) ist wahnsinnig - Ich bin mir sicher, der Wind, der mir um die Ohren saust, reicht um eine mittelgrosse Windkraftanlage zu betreiben.

Alles in Allem ein wirklich wahnsinnig toll unwirtschaftschaftliches Auto für zwei, mit dem man keine Latten aus dem Baumarkt holen kann und der das krasseste Gegenprogramm zu meinem 2,4Liter /8er Diesel ist, das ich mir vorstellen kann: 
/8er fährt man langsam oder sehr langsam. Ein /8er Diesel ist stoisch und behäbig und er führt dazu, dass sein Fahrer vom ganzen Stress der anderen nichts mitbekommt. Im /8er reist man, man rast niemals.
Die Pagode ist das genaue Gegenteil:
Er klingt aggressiv und stößt beim Gasgeben wie ein Höllenhund nach vorne, der Motor bellt regelrecht. An der Ampel muss man mit dem Gas spielen. Das 4-Gang Schaltgetriebe macht alles noch schlimmer. Man muss einfach Zwischengas geben. Die Gänge gehen trotzdem nur äußerst widerwillig rein. Mit der Pagode reist man nie, aber man möchte immer rasen.

     Der Kadett    Der Kadett
     
mit Dach                                                        Cockpit

Erste Ausfahrt
Nach dem Zusammenbau und Test der Bremsen bin ich zum ersten Mal mit dem Boliden gefahren. Es ist Ende Oktober 2007, die Sonne scheint und wir haben etwa 10 Grad. Ich muß sagen: Echt geile Karre: Die Handbremse wirkt leicht deplaziert am Getriebetunnel, Zündung an, die Benzinpumpe rauscht recht laut, kleiner Dreh am Schlüssel und 6 Zylinder erwachen zum Leben. Etwas sonor, gut Baß im Abklang. Ich gebe mal leicht Gas. Der Drehzahlmesser schnellt auf 2000 U/min. Mensch langsam! Das Öl ist doch total kalt. Also 1. hakeligen Gang rein, etwas Gas und ab geht es. Zu erst bockt er etwas. Schließlich ist er in den letzten 20 Monaten nur 10 km gefahren. Kühlmitteltemperatur ist relativ schnell auf 80 Grad. Das Öltermometer zeigt aber weiterhin "kalt" an. Ich kurve also vorsichtig durchs Bergische Land, teste immer wieder die Bremse, die ja ganz frisch drin ist und die neuen Klötze müssen sich erst mal an die alten nicht innenbelüfteten Scheiben gewöhnen. Nach 15km dann endlich 60 Grad Öltemperatur. Ich schalte in den dritten Gang zurück, 2500 U/min, Vollgas. Der Sound wird voller. Die Pagode beschleunigt. 3000 - 3500 - 4000 U/min, jetzt geht´s ab.

      Der Kadett    Der Kadett
      geschnittenes Heck                                          und nochmal von vorne

Schließlich fahre ich auf die Autobahn. Öltemperatur 80 Grad - jetzt kann es richtig losgehen. Aber erst mal testen: 100km/h, 3300U/min. Gang schon kurz übersetzt das Ding. 90km/h, immer schön cruisen. Dann ist die Straße frei, Zwischengas, in den 3. Gang zurück und gib ihm: Ja! Ab 4000 U/min kommt der Drehzahlmesser kaum nach. Hoch in den 4. Gang und wieder Vollgas. Schwups ist das Ding bei 170km/h - wie war das nochmal mit der Pendelachse? In Kurven bloß nicht vom Gas geben oder wie? Ich wage es nicht, sondern bremse lieber weit vor der Kurve ab und fahre weiter 100. Schließlich will man ja gesehen werden.

Seit Oktober 2007 hat er wieder TÜV: Motor schwitzt ein bisschen - Gott sei Dank! Wenn er das nicht tun würde, dann wäre auch kein Öl mehr drin.

Überholung der Bremssättel
Bremssättel von Fahrzeugen halten bei guter Pflege unheimlich lange. Bei Stehzeugen aber nicht. DIe Kolben rosten fest und dann ist Essig!
Gott sei Dank gibt es für 10 Euro pro Seite Reperatursätze für die Bremssättel. Sie bestehen aus einem Blech, der Dichmanschette und einem Dichtring. Zum Ausbau der Bremskolben müssen die selbigen erst einmal gängig gemacht werden. Dann werden sie mit der Bremsanlage fast rausgedrückt. Im Schraubstock können sie dann vorsichtig herausgekniept werden. Fällt der Kolben auf den Boden: Nicht weiter schlimm, außer, daß man einen neuen kaufen muß, da die Dinger aus Gußstahl sind und gerne Kanten abbrechen.

Sind die Kolben erst mal draussen, werden sie mit sehr feinem Schmiergelpapier entrostet. Dann kommen die neuen Bleche und die Dichtmanschetten drauf.

      der Minimotor   der Minimotor
Noch montierter Bremssattel                          Die Kolben mit neuem Blech

Im Zylinder des Bremssattels muß die Dichtung getauscht werden. Dann werden die überholten Kolben vorsichtig eingeführt.

      der Minimotor   der Minimotor
Bremssattel ohne Kolben                               überholter Bremssattel

A. Troska, Im Februar 2008