Der 300E-24V

       
    220PS und 24 Ventile, dazu eine                   KE-Jetronic

Warum man sich einen W124er, 300E-24V aus dem Jahre 1990 kauft, nachdem man vorher 10 Jahre lang gepredigt hat, dass der 300 Diesel der einzig wahre, der beste und der schönste ist - weiss ich auch nicht. Ich weiss nur, dass ich vorher noch einen 1994er 320er gekauft hatte, der schon sanft angeschlachtet war und den ich eigentlich wieder schön machen wollte, dann aber erkannte, dass der wirklich gar nicht gut war und ausserdem grade seiner Lederausstattung beraubt worden war.  

       
   

Zu genau dieser Zeit trug es sich zu, dass man mir von einem Kombi erzählte, der "schwarz/schwarz" wäre, Leder, Klima und 4fach FH sowie ein Schiebedach aufzuweisen hätte. Ausserdem hätte auch dieser Wagen, wie mein 300er, wie der 4Matic und wie der 320er die von mir preferierte unkaputtbare und sanftschaltende 4Gang Automatic. Ausserdem hätte der Wagen auch noch ASD und Zurrhaken im Ladeabteil und Sportsitze und und und.

Es trug sich also so zu, dass ich eines Mittwochs loszog um mir den Wagen anzusehen. Ich machte eine Probefahrt und merkte, dass das Getrieböl mal gewechselt werden könnte als auch, dass die Hinterräder beim Schalten in den zweiten Gang kurz aber energisch durchdrehten. Weiterhin war natürlich die noch nicht auf R134a umgerüstete Klimaanlage hinüber und von den 4 FH ging nur noch einer, aber immerhin der an der Fahrerseite vorne.  

         
    24 Ventile in der Garage                                 Lederstühle

Kurzum: Ich habe ihn gekauft. Als erstes habe ich mal Motor- und Getriebeöl getauscht und dazu Zündkerzen, Luftfilter und was mir sonst noch so eingefallen ist. Ziemlich schnell ist mir auch aufgefallen, dass der Tank nach weniger als 400km ratzekahl leergesoffen war. Der 24V verbrauchte zwischen 16 und 25l/100km. Das gute Super natürlich, E10 kommt mir nicht in den Tank. 

        
     ...vorne mit "Popo warm"                                Wurzelholz und viele Schalter

Trotzdem: Kaum hatte ich den Wagen, wollten ihn auch schon mehrere Leute kaufen, weil ich ja genug hätte.  

        
     Laderaum                                                       und Tacho bis 260

Den nächsten Schritt geht jetzt gerade Peter und sein Sammelsurium an Oszilloskopen, Multitestern und was weiss ich was der noch für okulte Apparate in seiner Garage hat. Peter kennt die KE-Jetronic  mit Vornamen und ich sage Euch, was kaputt war. Also ich tippe auf defekte Kolbenrückholfeder, oder vielleicht die Wurstblinker?

                                          
                                          gut dass der einen Economy-Schalter hat!

 

Reparatur der VA-Bremse
Der 24V ist mein erstes Auto mit 4-Kolbenbremsanlage. Ich bin mir auch nicht sicher, dass die Welt so etwas braucht. Die verbauten Sättel zogen ordentlich schief, deshalb kamen die rotlackierten vom Peter rein.

 
Sehr schick die Bremsen                              ...die Felgen sind aber nicht lecker

Im Zuge mit den Bremsen sind mir dann auch die Felgen ins Auge gefallen. Ich bin der Meinung, dass Gullideckel an die Karre gehören, leider passen meine 3 Sätze Gullideckel alle nicht! Aus der Not eine Tugend gemacht, habe ich mich an die Aufarbeitung der Felgen gemacht.

 
Felge vorher und                                          ...nachher

Die Radikalkur zur Aufarbeitung der Felgen ist Abschleifen, Polieren und Lackieren. Ich verzichte  auf das Lackieren und belasse es beim Polieren der Aluoberfläche.

Die Felgen werden einfach mit einem Exzenterschleifer mit Schmirgelpapier abgeschliffen. Ich beginne mit 40er Körnung, steigere mich mit 80er und 120er und anschliessend mit Stahlwolle, Polierpaste und Lackpflege die Oberfläche glänzend zu bekommen. Der Aufwand für ein 85% Ergebnis (d.h. aus 2 Metern Entfernung von den montierten Felgen sieht man nichts) beträgt 1h bis 1,5h. Ich finde, das steht in einem reellen Verhältnis zum Wert der 8-Loch Felgen. 

 

 
Schrottfelge ...                                               ... einmal neu

Rost
Die Mopf0 bis Mopf1 124er rosten wirklich wenig. Aber nach 18 bis 20 Jahren sind dann doch immer die gleichen Stellen fällig. Die Wagenheberaufnahmen gerne, aber auch das Radhaus hinten rechts. Die Roststellen sind immer gleich.

 
Ganz typische Schwachstelle beim 124er (hier der 300TD)       

Hinterachsüberholung und das übliche
Also:
* Wagenheberaufnahmen nach Befund schweissen,
* im Bereich der Radhäuser hinter Löcher finden und beseitigen und
* die Sache mit den Ölleitungen und der Hinterachse.

Alles was da so an Leitungen im Bereich der Hinterachse ist, war bei diesem 24V durchgerostet und siffig. 1 Spritleitung war bereits durch einen Gummischlauch ersetzt worden, die Hydraulikleitungen hatte jemand versucht zu flicken und dabei den Höhenregler geschrottet. Die Karre siffte ohne Ende. Auch die Bremsleitungen waren am Ende.

Maximal bei einem Diesel kann man irgend etwas reparieren ohne die Hinterachse auszubauen. Beim 24V geht gar nichts. Zig Leitungen verlaufen hin und her, bei eingebauter Hinterachse sieht man gar nicht was wozu gehört. Da ich nicht vermutete, dass ich irgendeine Schraube losbekommen würde, habe ich ab der C-Säule bis zu den Hydrostempeln (die Stoßdämpfer, die keine sind) alle Leitungen und die Bullenklöten (das sind die Stoßdämpfer) getauscht. Die Hydraulikleitungen, die mir Mercedes anbot, entsprachen überhaupt nicht meinen Ansprüchen, da nicht passend und nicht gebogen. So bördelte ich mir auch hier alle Leitungen selber.

              
        ...bördel & bieg                                                 ...die alte Leitung zum kopieren ...

             
        Achse mit neuen Lenkern                                 Der Höhensteller mit neuen Leitungen

                                          
                                           Alle Leitungen neu (300er Diesel)

Das ganze dauert 7 Abende:
2 Abende zum auseinanderbauen. Dann öfter bei Ebay gucken und rechtzeitig einen günstigen Höhensteller abstauben. Dann 7 Monate warten (muss man nicht unbedingt), dann einen Abend um die Karre nach 7 Monaten auf die Bühne zu schieben. Ein Abend für die Spritleitungen, einer für die Bremsleitungen und einer für die Hydraulikleitungen. Der letzte Abend diente der Überholung der Hinterachse, der Reinigung des von Hyrauliköl und Dreck strotzenden Diffs und dem EInbau der Achse und dem anderen Kleinkram.

Danach zum TÜV und kleben lassen. Das notwendige ist getan, der Wagen ist technisch i.O., hat keinen Rost mehr. Jetzt kommt noch das Hinreichende ...

September 2013

Reparatur der Einspritzanlage (2011)
Tja, wenn man aus der Kirche kommt, dann kennt man die Predigt. Aber vorher? Danke Peter, Du hast es hingekriegt. Fassen wir zusammen:

· Der Wagen springt schlecht an

· Die Schaltungen sind hart rund ruppig

· Die Karre säuft wie ein Loch

· Der Economy Schalter ist ohne Funktion

· Keine elektronische Leerlaufregelung, keine Kaltlaufanhebung

· Schlechte Start Off Performance für ein 220PS Auto

· Die Karre stinkt (wie früher als es noch keine Kats gab)

Recht schnell stelle Peter fest, dass das Einspritzpumpensteuergerät zwar alle Eingangssignale bekam, aber kein einziges Ausgangssignal lieferte. Folglich war das Steuergerät kaputt, wurde ersetzt und die KE-Jetronic nach Lehrbuch frisch eingestellt. Vielleicht wurde mir erst jetzt klar: Wenn ich Peter nicht gekannt hätte, dann hätte ich das Auto wahrscheinlich gar nicht gekauft.

Zur Belohnung bekam ich jedenfalls einen Verbrauch von knapp 23l/100km beschert, der aber auf die ständigen Vollgasanfahrten zurückzuführen war.

Im Anschluß verringerte sich der Verbrauch dann aber auf ca 12l/100km. Peter schrieb mir folgenden, wie ich finde recht umfangreichen Bericht:

Folgende Arbeiten wurden durchgeführt:
Prüfung des Motorkabelbaums (Bericht liegt im Fahrzeug)
Prüfung der Kraftstoffdrücke (Systemdruck, Oberkammerdurck / Unterkammerdruck)
Prüfung der Sensoren für Ansauglufttemperatur und Kühlmitteltemperatur (Bericht im Fahrzeug)
Prüfung der Motorerkennungsschalter (Leerlaufschalter, Drosselklappenschalter, etc.)
Prüfung von Leerlaufsteller und elektrohydraulischem Stellglied
Prüfung von Zusatzluftpresser- und Regenerierventilverkabelung
Prüfung des Motorsteuergerätes -> DEFEKT
Beschaffung und Einbau eines gebrauchten Steuergerätes
Diverse Probe- und Einstellfahrten (u.a. zur Regenerierung der Lamdasonde)
Einregulieren des Motors
Auslesen und löschen des Fehlerspeichers (vor und nach Probefahrt)

Darüberhinaus wurden folgende Probleme festgestellt:
Bremsen vorne (Bremswirkung mässig, Rubbeln)
Viscolüfter läuft permanent (Motor wird schlecht warm, Lüfter schluckt Leistung beim Beschleunigen)
Minimales Lenkspiel (zu viel für einen W124)
Luftfilterkasten defekt (Anschraubösen abgebrochen), mögliche Falschluftquelle
ASD ohne Funktion,
Hydraulikölbehälter leer
Klimaanlage leer
Starke Verölung im Motorraum vorne linke (neben Klimatrockner und Hydraulikölbehälter)
Leichtes Heulen der Hinterachse (noch in Ordnung aber deutlich hörbar)
Lautsprecher vorne rechts (Stecker am Lautsprecher prüfen, Radiostecker geprüft, i.o.)
Glühlampe Drehzahlmesser defekt (geht aber noch ab und zu)
Unterdruckelement Umluftklappe defekt (zieht Falschluft)
Waschdüsenbeheizung abgeklemmt (wahrscheinlich Kurzschluss in mindestens einer Düse)
Glühlampe Lüftungsknopf falsch (zu stark
, zu grosse Wärmeentwicklung, tauschen gegen 1,2W)
Zuziehhilfe ohne Funktion
Ein Heizdraht der Heckscheibenheizung defekt (nur zur Info, ohne Bedeutung)
Scheinwerfergläser und Einstellung nicht optimal
Fernlichtkontrollampe nicht blau sondern weiss (Einsatz tauschen)
Leichtes Klappern im Bereich der Nockenwelle bei kaltem Motor (evtl. Hydrostössel, prüfen)

Hinweis: Im Kofferraum befinden sich zwei überholte Bremssättel zum Tausch. Manschetten aller vier Kolben sowie innere Dichtringe wurden gegen nagelneue Mercedes Originalteile getauscht (Rechnung vorhanden)

Gebrochene Seitenwelle
Peter übergab mir das Auto, mit dem er in den vergangenen Wochen zig Vollgasfahrten gemacht hatte an einem Donnerstag Nachmittag. Freitagmorgen "halb zehn in Deutschland" tat es dann einen Schlag und der Wagen hatte keinen Vortrieb mehr.

Recht schnell stellte sich heraus, dass die rechte Seitenwelle gebrochen war. Ersatz fand sich am 320er. Jedoch war Peter ziemlich froh, dass nicht er die Welle geschrottet hatte und ich war ziemlich froh, dass Peter nicht nachts mit dem waidwund geschlagenen Vehikel in irgendeiner Gewerbesiedlung liegengeblieben war.

   
Torsionsbruch an Seitenwelle                         und nochmal im Detail